‚111 Gründe, London zu lieben‘ – mit dem Autor Gerhard Elfers durch das East End

„Wie viel Zeit hast du?“ antwortet Gerhard Elfers als ich ihn bitte, mir von seinem London zu erzählen.

Sein London, in dem er nun seit über zehn Jahren lebt und arbeitet. Sein London, über das wenige Wochen vor Beginn der Olympischen Spiele so viel berichtet wird wie selten. Ich wollte ein Interview mit ihm und bekam dazu eine kleine Stadtführung.

„Wir treffen uns vor der Bank of England. Da ist ein kleiner Platz auf dem immer viele Touristen sind. Ich komme dorthin.“

Gerhard Elfers ist Autor und Journalist. Anfang April erschien im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag sein erstes Buch „111 Gründe, London zu lieben“. Es ist seine ganz persönliche Liebeserklärung an die Stadt, die ohne langweilige Lobhudeleien auskommt.

Gerhard Elfers ist es gelungen, ein Guidebook zu schreiben, das sich verschlingen lässt wie ein spannender Krimi. Mir fiel es auf dem Flughafen Köln Bonn in die Hände, als ich auf meinen Flieger nach London wartete. Zuerst erschien mir der Titel zu plump. Nach den ersten Sätzen aber hatte ich ein breites Grinsen im Gesicht und ich wanderte mit dem Werk zur Kasse.

Beim Lesen im Flieger wurde schnell klar: dieser Mann liebt die Stadt nicht weil hier Bauwerke stehen wie der Buckingham Palace, die Tower Bridge oder Harrods. Nein. Er liebt London aufgrund seiner rauhen Ecken und skurrilen Angewohnheiten der Einwohner, der versteckten Bars, der vielen Künstler und dem kulturellen Durcheinander.

‚111 Gründe, London zu lieben‘ ist in 11 verschiedene Themengebiete aufgeteilt wie ‚Unterwegs in London‘, ‚London geht aus‘ oder ‚London im Allgemeinen‘. Also besteht keine Notwendikeit, chronologisch zu lesen und so sprang ich noch im Flieger hin und her. Elfers sarkastische Schreibe und sein zackiger Humor trafen dabei genau meinen Lachnerv.

Vor allem Grund Nr. 2 „Warum hier kein Mensch Fußgängerampeln braucht“ sollte meinen gesamten London-Aufenthalt prägen.

Sowie auch Grund Nr. 36 „Weil Radeln nicht immer gesund ist“

„Fahrrad fahren in London – wie soll ich das ausdrücken? – ist eher etwas für Leute, die ihren Organspendeausweis stets bei sich tragen und ihn auch möglichst bald einer sinnstiftenden Verwendung zuführen wollen…“

Ich verwarf mein Vorhaben, in London eines dieser blauen Boris Bikes zu mieten. Beschloss aber Gerhard Elfers zu kontaktieren um mit ihm ein Interview zu vereinbaren. Schließlich hatte er seinen Twitter-Namen @11ers im Buch extra angegeben.

abends auf meinem Lieblingsplatz am Fenster im Four Seasons Canary Wharf

Per Tweet verabredeten wir uns für den Freitag Mittag. Gesagt, getan.

Mein Interview mit Buchautor Gerhard Elfers

Pünktlich erreiche ich die Haltestelle Bank. Der Platz, auf dem wir verabredet sind, ist leicht zu finden. Einfach der Touristenschar hinterher. Sekunden später schlendert jemand auf mich zu, mit einem großen, offenbar leeren, Kaffeebecher in der rechten Hand.

Denn jetzt ziert der Kaffeebecher eine kahle Mauer vor der Bank of England. Eine typische Londoner Angewohnheit. Seit den Anschlägen im Jahr 2005 gibt es offenbar nur noch wenige Mülleimer in der Stadt.

Aus dem Schlendern wird nun ein forscher Stechschritt. Gerhard Elfers möchte mir soviel wie möglich von ’seinem‘ London zeigen. Wir überqueren die Straße – bei rot wie es sich hier gehört – und lassen die altehrwürdige Bank of England links liegen. Wir sprinten durch die City of London – das Herz der Stadt und laufen in eine kleine Gasse, in die sich sonst keine Touristen verirren.

Ein schmaler Gang zwischen zwei Häusern, der aussieht als würde er in eine Sackgasse führen. Doch am Ende stehen wir in einem wunderschönen Hof, vor einem Pub mit hohen Decken, viel Holz und noch mehr Charme. Das Counting House.

„Ich finde, die City wird ein bisschen vernachlässigt“ sagt Elfers. „Die Leute kommen ab und zu bis Bank. Da, wo du gerade ausgestiegen bist und gucken sich einmal die Bank of England an. Aber die City ist so viel mehr. Alle 20 Meter gehen hier so kleine Gassen rein. Es lohnt sich durch dieses Gewirr einmal durchzulaufen. Teilweise haben sie ihren Verlauf seit hunderten von Jahren nicht geändert. Und das macht die City sehr spannend.“

Während ich noch staunend im Counting House stehe und fotografiere ist Gerhard Elfers schon längst wieder draußen. Es prasseln so viele Details auf mich ein, die ich sonst niemals gesehen hätte. Eine kleine, versteckte Kirche inmitten der City mit einem grünen Innenhof. Der Heron Tower. Die Bar in der Jack The Ripper einige seiner Opfer kennenlernte und die Stelle, an der er sie umbrachte. Dort steht jetzt ein Parkhaus.

Wir erreichen Shoreditch und ich treffe zum ersten Mal auf die Murals des belgischen Streetart Künstlers ROA, die mich seitdem nicht mehr so recht loslassen. Dieses riesige Kunstwerk prangt übrigens an einer Hauswand in der Nähe der Bricklane. Gerhard Elfers steht vor dem Fuß des Reihers.

Wir betreten die Stolen Space Gallery, in der ROA sogar gerade einige seiner Werke ausstellt. Leider weiß ich das erst richtig zu schätzen seit ich wieder zu Hause bin.

Auf unserer gemeinsamen Tour durch die Stadt erfahre ich auch, dass Streetart so wertvoll sein kann, dass Diebe sie aus der Wand reißen. Und daher einige hinter Glas verbarrikadiert sind. Übrigens auch das in einem Hof, in den ich nie hineingegangen wäre. Wir laufen weiter durch klein Bangladesh – oder ‚Banglatown‘ wie sie hier sagen – mit seinen vielen Curry Restaurants und seinen Läden, die über Mittag schliessen damit die Mitarbeiter beten gehen können. Wir essen einen fantastischen und günstigen Bagel in einem Laden, der schon seit über 150 Jahren existiert und Anziehungspunkt des ganzen Viertels ist. Wir kommen am Brick Lane Market vorbei und am Kult-Plattenladen Rough Trade East, in dem die Band Keane einen Tag später ein Konzert spielen werden.

Ich stecke meine Nase in kleine, vollgestopfte und größere, sortierte Vintageläden. Meinen Plan, on the run unser Interview aufzuzeichnen, hatte ich nach fünf Minuten verworfen da ich sonst keine Fotos hätte machen können oder vom nächsten Auto überfahren worden wäre während ich bei rot über die Straße hetze.

Am frühen Nachmittag war es an der Zeit, sich in Ruhe mit der Pubkultur auseinander zu setzen und endlich das Tonbandgerät herauszuholen. Ich versuchte, ein richtiges Bier zu bestellen. Nicht so ein lauwarmes halbtotes wie es mir schon einmal passiert war.

Natürlich widmet sich Elfers auch in seinem Buch ausführlich diesem heiklen Thema.

„Ich habe es aus bitterer Erfahrung für notwendig erachtet, der ›Pub-Etikette‹ ein ganzes Kapitel zu widmen. Wer in London Touristen in Pubs beobachtet, dem können schon mal die Tränen kommen. Die wichtigste Regel lautet: Immer Runden kaufen!“

Wir bestellten zwei Pints, ein Wifi-Passwort in Gerhard Elfers Lieblingsbar ‚Owls and Pussycat‘ in Shoreditch und unterhielten uns über die Stadt und das Buch.

…über die Ironie in ‚111 Gründe London zu lieben‘

…über die Pubkultur der Londoner

Welchen Teil Londons darf ich nicht missen?

Seit ich Grund Nr 2 gelesen habe verhalte ich mich an Ampeln merkwürdig.

‚111 Gründe, London zu lieben‘ – Eine Liebeserklärung an die großartigste Stadt der Welt ist mein Buchtipp für euch. Es stecken so viele Informationen, Lacher und Tipps in dem Buch, dass die kapp 10 € gut investiert sind. Denen, die Lust habe ein wenig ins Buch rein zu schnuppern, sei dieser Spiegel Artikel ans Herz gelegt. Am Ende findet ihr die Links zu drei gekürzte Auszüge aus dem Buch.

Wer zwischen den Zeilen liest wird spätestens nach einer kleinen Recherche sicher auch den Weg in die eine oder andere PopUp-Bar finden.

Ihr könnt Gerhard Elfers auf seiner Facebook Fanpage folgen, auf der er regelmäßig News reinstellt und auch per Twitter unter @11ers.

Cheers, Mate.

5 Kommentare

  1. Sabrina

    Das Buch ist für mich als hochgradig anglophiler Mensch ein absolutes Muss, auch wenn mein Herz eher an Nord- und Mittelengland hängt (York, Manchester, Birmingham, Stratford-upon-Avon). Danke für Beitrag und Interview! 🙂

    Liebe Grüße,
    Sabrina

    1. Heike

      @Sabrina – Nord- und Mittelengland kenne ich noch nicht aber eine längere Reise dorthin steht ganz oben auf meiner ToDo-Liste. Vielen Dank für dein Feedback! Und, was Jack the Ripper angeht…es war spät gestern. 😉

  2. Juliane Fischer

    Vielen, vielen Dank für diesen großartigen Artikel/Blogpost bzw. das Interview! Einfach genial und super interessant. Ich musste beim Durchlesen und Anhören des Interviews feststellen: ich habe während meiner 2 Jahre die ich dort gelebt habe doch so ziemlich alles richtig gemacht. Bei Rot über die Ampeln zu gehen, habe ich mir in Deutschland bis heute nicht abgewöhnen können. In München werde ich dafür ständig blöd angeschaut. Naja. Shoreditch und Hackney – bloody awesome! Geh bei deinem nächsten London-Besuch unbedingt auf den Farmers Market am Samstag in Hackney! zero tourists, 100% british way of life und einer der besten Pubs überhaupt in der Gegend.

    PS: auch nicht zu verachten: Kentish Town, Primrose Hill (posh aber super-schön), Brixton und Clapham.

    1. Heike

      @Juliane – Herzlichen Dank für dieses Feedback! Und vor allem für die Tipps! Werde ich beim übernächsten Besuch hingehen. Beim nächsten ist die Queen dran. 😉

  3. christoph schoder

    Ich plane gerade einen Pressetrip nach London. Der Beitrag war sehr inspirierend. Aus jedem Detail könnte man einen eigenen Artikel machen. Tolle Bilder und ein sehr lebendiger Text…

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