Interview: Franck Gervais will Thalys 2013 (endlich) an die Sozialen Netzwerke anbinden

Dass ein so großes Unternehmen wie der Thalys im Jahr 2012 in den sozialen Netzwerken überhaupt nicht stattfindet, war ein kleiner Schock für mich, als ich Anfang des Jahres zum ersten Mal in einen der Züge stieg, um mit meinem Sohn nach Paris zu fahren. Ich wollte mich online connecten mit dem Thalys – so wie es eben bei der Deutschen Bahn auch möglich ist. Nett „Hallo“ sagen, einchecken oder einfach mal bei 300 Sachen ein paar blöde Fragen stellen. Weil ich es gekonnt hätte. Per Twitter, so dachte ich, begleitet mich der unsichtbare „Thalysmann“ (sorry, gesehen hier im Kommentar)  auf meiner Fahrt nach Frankreich. Doch meine Twittersuche spuckte keinen Account aus. Nicht mal einen Fakeaccount. Kann doch nicht sein. Ich suchte bei Facebook. Nichts. Instagram? Ach quatsch. Und so rauschten wir im Hochgeschwindigkeitszug zwar mit flottem gratis-Wifi, aber ohne virtuelle Verbindung durch die frühen Morgenstunden.

Seither beobachte ich mit einem Auge etwaige Social Media Aktivitäten des Thalys – und sehe…nichts. Zwar warb das Unternehmen kürzlich mit einer Kampagne anhand von Twitter und Facebooklogos für die (rein technisch mögliche) Netzwerkfreudigkeit der Züge, im online-Bereich der eigenen vier Wände gab es aber seither keinerlei Fortschritte.

So nutzte ich bei der Thalys Lounge-Eröffnung in Köln die Gelegenheit, den CEO des Thalys International, Franck Gervais zu fragen, warum sich das Unternehmen dabei so schwer tut. Wir führten das Interview auf englisch. Das hier ist also meine Übersetzung, so akkurat wie möglich.

Thalys Geschäftsführer Franck Gervais bei der Lounge Eröffnung Foto: Heike Kaufhold

Wann, glauben Sie, wird Thalys in den Sozialen Netzwerken präsent sein?

„Wir haben im kleinen Rahmen bereits begonnen, Social Media zu nutzen. Auf unserer Website befindet sich ein Bereich ‚Welcomers‘, in dem Menschen aus vier Ländern jede Woche Insider-Tipps geben. Für Deutschland sind 3 Leute im Einsatz. So finden sich dort zum Beispiel Tipps aus Paris zu einer bestimmten Buchhandlung. Das ist der Beginn von Social Media. Aber mit den eigentlichen Social Media Aktivitäten möchten wir gerne 2013 loslegen. Also mit Twitter oder Facebook.

Was wir aber seit 3 Monaten schon machen, ist, dass wir auf unserer Website, die ja für unsere Kunden das Wichtigste ist, aktuelle und akkurate Informationen zum Beispiel über Verspätungen unserer Züge geben. Zudem haben wir vor wenigen Tagen unsere Thalys-App gelauncht. Jetzt, da all das vorhanden ist, wird es einfacher für uns, mit den Social Media Aktivitäten zu beginnen und genau das wollen wir jetzt machen.“

Als Vorbild scheint aber auch beim Thalys der Twitter Account der Deutschen Bahn zu sein – @DB_Info. Als ich ihn als positiv Beispiel heranführe, sehe ich bei meinem Gegenüber ein bestätigendes Nicken.

„So in etwa wollen wir es angehen. Wir müssen aber sehen, was für unsere Kunden am wichtigsten ist und dann mit dem ersten Netzwerk  beginnen.“

Ist Thalys in diesem Bereich nicht sehr spät dran?

„Nein, das denke ich nicht. Um mit diesen Netzwerken loszulegen, müssen wir einen wirklich guten ‚Moderator‘ haben, der smart ist und akkurat arbeitet. Es geht um Fragen wie ‚Wird der- oder diejenige den ganzen Tag arbeiten und wie sieht es an den Wochenenden aus?‘ All das müssen wir betrachten, um sagen zu können, wann wir das launchen werden. Und wenn wir es launchen, dann wollen wir präsent sein und dann werden wir auch gut darin sein. Wir befinden uns gerade mitten in diesen Diskussionen.

Hinzu kommt natürlich, dass unsere Züge durch 4 Länder fahren und dementsprechend 4 verschiedene Sprachen für uns von großer Bedeutung sind. Das macht natürlich alles komplizierter für Thalys. Wir haben 4 Websites, die Durchsagen an Board werden in 4 Sprachen gemacht, also müssen die Moderationen im Internet ebenfalls in 4 Sprachen stattfinden. Das macht es deutlich komplizierter als es bei der Deutschen Bahn oder dem TGV ist.“

Thalys CEO Franck Gervais Foto: Heike Kaufhold

Als Reisebloggerin habe ich mehrfach mit dem Thalys kooperiert. Wie geht Thalys generell mit Kooperations-Anfragen von Bloggern um? 

„Wir arbeiten mit einigen Bloggern zusammen, aber Stand heute ist, dass diese Zusammenarbeit sicherlich durch ein soziales Netzwerk verbessert werden könnte. Wir beantworten die Fragen der Blogger durch unsere Presseabteilungen und lesen später im Internet, was über Thalys gesagt oder geschrieben wurde. Ich persönlich habe mit einigen Bloggern über dieses Thema diskutiert, aber unsere Aktivitäten diesbezüglich könnten durchaus intensiver sein.“

Dank der sehr socialmedia-affinen Pia Verheyen, zuständig für die Pressearbeit des Thalys in Deutschland bei BBC Public Relations, konnte ich bereits einige schöne Aktionen in Zusammenarbeit mit dem Thalys umsetzen. Unter anderem unterstützte sie zusammen mit Patricia Baars in Brüssel unsere erste Instagram-Challenge, die 6 Instagramers Cologne für einen Tag nach Paris brachte.

Patricia Baars Pressesprecherin Thalys und Pia Verheyen, BCC Public Relations Foto: Heike Kaufhold

Von den sogenannten ‚Welcomers‘ hörte ich übrigens in meinem Interview mit Franck Gervais zum ersten Mal und auch beim gelegentlichen Surfen auf der Website waren sie mir bisher nicht aufgefallen. Erst als ich heute explizit nach ihnen suchte, fand ich sie versteckt hinter einem kleinen Wort. Wer also auf den Menü-Punkt ‚Ziele‘ klickt, landet bei den Welcomers. Schade eigentlich, dass Thalys diese persönlichen Tipps von Menschen aus den sogenannten Fahrtzielen Paris, Brüssel, Köln, Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen so versteckt bzw. nicht prominenter positioniert.

Ich habe mir mal das Profil von Jens aus Köln näher angesehen. Er scheint sich tatsächlich gut in der Stadt auszukennen und empfiehlt zum Beispiel einen Klamottenladen, einen Campingplatz, eine Eisdiele oder ein cooles Hostel. ABER er empfiehlt auch eine Tour durch den Rheinauhafen, den Ökomarkt auf dem Rudolfplatz, Madame Miammiam und die Kletterfabrik. Auch das Café Wahlen sowie die Bäckerei Zimmermann, beides alteingesessene Läden, finden eine Erwähnung in seiner Liste. Das sind für mich, als langjährige Kölnerin, wirklich richtig gute Tipps. Nicht immer, aber oft, fernab der ausgetretenen Touripfade.

Wer die Tippgeber aussucht, WIE sie ausgesucht und eventuell bezahlt werden und wie genau dieses Tool redaktionell betreut wird – das versuche ich gerade noch zu klären.

Unterdessen versucht der Thalys noch mehr Reisende aus der Luft zu holen und auf die Schienen zu setzen. Seit Mitte Oktober ist es möglich, ab Köln (bzw. Essen/Duisburg/Düsseldorf) mit einem Ticket des Thalys (quasi) bis nach London zu fahren. Durch eine Kooperation mit dem Eurostar, in den man in Brüssel nach wie vor umsteigen muss, bleibt es zwar bei einem Zugwechsel, DER wird aber deutlich unkomplizierter. Zumindest hat Thalys es hinbekommen, dass ich das glaube und diese Reise-Möglichkeit nun tatsächlich in Betracht ziehe, während es zuvor nie eine Option für mich war. Umsteigen in Brüssel, umsteigen in den Eurostar, wo fährt der ab wie komm ich hin und wie sind die Anschlusszeiten. Da bin ich leider eine Marketingopfer. Jetzt bilde ich mir ein, es sei die beste Idee ever, mit dem ZUG nach London zu fahren. Aber genau aus diesem Grund möchte ich das sehr zeitnah einmal selbst ausprobieren.

„Die Fahrtzeit zwischen Köln und London variiert je nach gewählter Abfahrtszeit zwischen 4 h 11 bis 6 h 19. Darin enthalten sind Umstieg und Check-In“ heisst es in der Pressemitteilung. Über 4 Stunden finde ich in Ordnung, da mich der Eurostar am Bahnhof St. Pancras ausspuckt, mitten in London und mir eine zum Teil teure und nervige Fahrt von Stanstead oder Gatwick spare. Die über 6 Stunden Fahrtzeit-Variante reizt mich überhaupt nicht.

Interessant, aber auch sehr schade ist, dass es für die Reisenden dann mit dem Umstieg in den Eurostar KEIN WIFI mehr gibt. Aber Wifi in Hochgeschwindigkeitszügen ist an sich ein schwieriges Thema, wenn dann auch noch ein großer Teil der Strecke durch Tunnel führt, vielleicht ohnehin nicht sehr verlockend. Eine einfache Fahrt nach London kostet ab 49 €, in der Comfort 1 ab 99 €.

Nun hat der Thalys eine neue Verbindung, eine neue App (habe ich mir noch nicht anschauen können), eine neue Thalys-Card und für die Besitzer dieser neuen Thalys-Card eine neue Lounge am Kölner Hauptbahnhof. Und die – um den Bogen zu schlagen – habe ich mir angeschaut. Mein Fehler war, dass ich bei einer Lounge eher an Airport-Lounges denke als an Bahnhofslounges. Heisst, ich war noch NIE in einer Lounge der Deutschen Bahn und habe daher zu anderen Bahnhofslounges keine richtige Vergleichsmöglichkeit.

Die des Thalys macht von aussen viel her, ist aber von innen wirklich ein wenig unsexy. Sie ist jetzt gerade mal ein paar Wochen in Betrieb. Vielleicht wird an der Athmosphäre noch etwas geschraubt. Aber für mich strahlt sie ein so intensives Bürofeeling aus, dass ich sogar vergass ein Foto davon zu machen.

Es gibt oben in der Lounge kalte Getränke und Kaffee, und Stühle mit einer Unterlage für den Laptop, Wifi und Toiletten. Wenn ich ehrlich bin, würde ich persönlich mich lieber zu Mc Café rübersetzen und somit IM Bahnhof bleiben. Die Berufspendler sehen das vermutlich anders. Die Thalys Store & More Lounge liegt ausserhalb, aber direkt gegenüber des Hauptbahnhofs am Dom.

In dieser Lounge stehen auch die ersten Thalys Ticketautomaten überhaupt. Dort können Reisende ihre nächsten Fahrten direkt buchen und die Tickets gleich ausdrucken – auch das Ticket nach London soll hierüber bald buchbar sein.

4 Kommentare

  1. stiller

    Oh, lieber zu McCafé heißt schon was, so richtig gerne sitze ich zumindest nicht dort rum. 🙂 Wusste gar nicht, dass es diese EuroStar-Kooperation gibt. Wird trotzdem Zeit, dass die Direktverbindung Köln-London kommt und nicht wieder verschoben wird.

    1. Heike

      @Stiller – Ich sitz da ganz gern, aber wie gesagt. Meine Bedürfnisse, nicht die eines Business-Travelers. 😉 London-Verbindung ist da, wird nicht verschoben…

  2. Jasmin

    Danke für diesen großartigen Artikel.

    Ich bin noch nie mit dem Thalys gereist, aber durch die Ankündigung der „1 Ticket bis London“-Aktion wurde ich wieder darauf aufmerksam.

    Bahnreisen sind nämlich oft wesentlich komfortabler als Flüge, vor allem, wenn man, wie du schreibst, direkt in der City landet. Dadurch relativiert sich insbesondere bei einer Reise nach London nämlich die Reisezeit.

    Ich bin gespannt auf den Social Media-Einstieg.

    Am Kölner Hauptbahnhof verbringen wir unsere Wartezeit übrigens beim Wiener Feinbäcker. Ist meistens nicht so voll wie das McCafé.

    1. Heike

      @Jasmin – Ja, 4 h Zug finde ich im Rahmen, danach möchte ich lieber fliegen. 😉 Auf den Social Media Einstieg bin ich auch gespannt, und auch darauf wann genau er anrollen wird…danke für dein Feedback!

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