Von Jungsmüttern und Reisevorbereitungen

Sollte mir eines Tages der Reise-Schreibstoff ausgehen, widme ich mich einfach dem Thema ‚Jungsmütter‘. Ich würde mich mit den Müttern auseinandersetzen, die ohne Brüder aufwuchsen und in der eigenen Kindheit ein beschauliches Leben führten. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie sich plötzlich in einem reinen Männerhaushalt wieder finden und mit mehr als fliegenden Siku-Autos oder grölenden Wilden Kerlen konfrontiert werden.

Und heute war wieder einer dieser Tage, an dessen spätem Ende ich mich frage: DAFUQ?

Puerto Rico steht an. Und es war die beschissenste Idee seit langem, für eine dringende Impfung in den größten Outdoorladen Kölns zu fahren. Soviel ist klar. Aber wie es so ist: der Kinderarzt ist nicht sehr beliebt, die Sprechstundenhilfe noch weniger, im Globetrotter gibt es ein Quallenaquarium und eine Fahrt in die Stadt wird immer gern genommen. Dann setzte noch mein Verstand aus und ich sah mich mit den Jungs eine Stunde lang in einer Arzt-Außenstelle in einem Klamottenladen anstehen.

5 Leute vor uns. Viel nerviger war allerdings die Dame aus dem angeschlossenen Reisebüro, deren lautstarke Beratungen ich irgendwann nicht mehr ausblenden konnte. Ganz nebenbei wurde mir klar, wie lange ich kein Reisebüro mehr von innen gesehen hatte und wie ungewohnt dieses Bild von zwei Menschen für mich eigentlich ist, die sich vor Ort beraten lassen.

Ich legte am Ende des Tages also 410 € für Impfungen auf den Tisch und über 7 € für 3 für fiese Eis von Ben & Jerrys. Bis ich aber diese 410 € endlich bezahlen konnte, hatten wir die halbe Praxis demontiert, die Jungs den Mülleimer mit den Spritzen gefunden und in die Luft gestemmt, Schuhe und Socken von sich geworfen und es sich auf der Liege im Zimmer für die Dauer eines Wimpernschlags bequem gemacht, bevor das Ausruhen nahtlos in Kämpfen überging. Auf weißen Drehstühlen schossen sie wild kreisend durch den Raum, polterten runter, donnerten eine Schiebetür zu, dass der ganze Laden wackelte, wühlten in meiner Tasche und stritten um die letzten Schlucke Wasser. Zu meinem eigenen Entsetzen förderten sie wenig später erst einen Flummi und dann eine Trillerpfeife zutage!

Das war der Moment, in dem beide zumindest kurzfristig beschäftigt waren.

Gleichzeitig war die Situation so skurril, dass ich für einige Sekunden die Lage ‚von oben‘ betrachtete. Die junge Ärztin, die abwog, ob es überhaupt Sinn macht, mich weiter mit Fachausdrücken vollzuquatschen, der Kurze, der aus Leibeskräften in die Trillerpfeife blies, der Große, der wie wild den Flummi auf den Boden donnerte und die Mutter, die von einem zum anderen und zurück zur Ärztin sah und nicht wusste, ob sie lachen oder weinen sollte.

Während die junge Ärztin offenbar an ihren nahenden Feierabend dachte und sich tapfer dafür entschied, die Sache mit der Informationsflut durchzuziehen, wandte ich mich immer mal wieder ab, und versuchte, die Lage in den Griff zu kriegen. Bedacht darauf, nicht völlig auszuflippen, gleichzeitig aber zu zeigen

„Hey, kein Problem. Alles unter Kontrolle. Hier gibt es nichts zu sehen!

Man will ja demonstrieren, dass man das mit der Autorität voll drauf hat, dabei aber möglichst gelassen sein. Nun. Das hat nicht geklappt. Beides nicht. Um ehrlich zu sein.

Mir huschte durch den Kopf, wie vorbildlich sich die beiden sonst so verhalten können. Vor allem wenn sie getrennt unterwegs sind. Habe ich beide dabei, bin ich manchmal kurz davor ihnen wieder Breigläschen zu reichen.

Schlagartig still wurde es erst nach einer gefühlten Ewigkeit. In etwa zu dem Zeitpunkt, als die beiden die Worte „Spritze“ „Arm“ „Kinder“ hörten. Man hätte eine Stecknadel Trillerpfeife fallen hören können. Ich verkniff mir gerade noch eine klitzekleine Retourkutsche. In Sachen Kinderplanung habe ich die Mädels heute sicherlich um 10 Jahre zurückgeworfen.

Wenig später, wenn beide mit 4 anderen Kumpels auf dem großen Trampolin Kickboxen üben und grölen, das kleine Nachbar-Mädchen barfuß in unseren Garten gestiefelt kommt und mir ihre Händchen samt rot lackierten Fingernägeln ins Gesicht streckt und sagt: „Da!“ – dann ist die Jungsmütterwelt wieder in Ordnung.

Für die Transparenz: Natürlich können wir uns auch benehmen. Und natürlich sind die Jungs das Grösste! Und natürlich sind solche Situationen Alltag. 

14 Kommentare

  1. bycan

    Unser Sohn ist zwar erst zwei, aber er hört bei allen anderen aufs Wort. Egal was sie ihm auftragen, er verstehts und machts. Nur bei uns nicht. Papa und Mama kann er aus seinem Bewusstsein komplett ausblenden, wenn’s ihm gerade nicht passt. Da bringt alles brüllen nix. Eine bewunderswerte Fähigkeit, oder?

  2. Tanja

    Leider kinderlos musste ich herzhaft beim Lesen Deines Artikels schmunzeln! Bitte schreib ein Buch! Es ist toll Deine Geschichten hier zu lesen 😉 Besten Gruß, Tanja

  3. Nordicfamily

    Liebe Heike, das ist eine wunderbare Beschreibung. Da in der Nordicfamily Bruder und Schwester hausen, werden wir wohl sowohl herumfliegende Autos haben (schon gehabt) und lackierte Fingernägel (auch schon gehabt)- wir hoffen auf vielfältige weitere Erlebnisse, deshalb haben wir ja KInder 🙂

    1. Heike Kaufhold

      @Nordicfamily – Hihi. 😉 Schön, euch zu lesen! Wobei ein Mädchen Ruhe reinbringt. Oder? Und ja, am Ende sind es genau solche Erlebnisse, die die Kinder später mitsprechen können weil wir sie ihnen ständig aufgetischt haben. <3

  4. Holger

    Hahaha…. Ich musste laut lachen und mich zurückerinnern an diese „tollen“ Zeiten 😀
    Ich habe drei Buben, die aber mittlerweile schon „erwachsen“ sind!
    Ich weiß also, was bei euch noch so alles kommt… 😛
    Hey, und für die Zweifler: Jungs machen echt Spass! Wirklich! Ehrlich! 😉

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