Formel 1 in Singapur – ein Reisebericht

Unwillkürlich muss ich an einen Witz denken, als ich meinen gelben Plastiksitz runterklappe und meinen Platz direkt an der Formel 1 Rennstrecke beim Großen Preis von Singapur einnehme.

„Frau Kaufhold, Sie wohnen jetzt schon seit längerem neben der Autobahn. Haben Sie irgendwelche gesundheitlichen Schäden davon getragen?“

„Neinneinneinneinneinnein.“

Ihr wisst, welchen ich meine.

In etwa so fühlte ich mich in den ersten Minuten des Rennens, in denen ich noch keinerlei Erfahrungswerte besass, wie ein solches Live Event eigentlich am besten zu verfolgen ist, das ich bisher nur aus dem Fernsehen kannte. Schliesslich coverte die TV-Übertragung jeden Zentimeter der Rennstrecke. Und ich bekam alle nötigen und unnötigen Infos, die ich brauchte.

Hier, mittendrin, konnte ich von meinem Sitzplatz aus lediglich eine lange Gerade der Rennstrecke überblicken. Beugte ich mich weit nach vorn, konnte ich noch verfolgen, wie die Formel 1 Wagen in eine Kurve schossen.

Jeder Rennwagen befand sich also nur wenige Sekunden in meinem Blickfeld. Aber kein Problem – vor mir hing eine riesige Leinwand, über die ich das gesamte Rennen, fast wie zuhause am TV, mitverfolgen konnte. Nur dass ich nicht die vertrauten Stimmen von Heiko Wasser und Christian Danner im Ohr hatte, sondern die der zwei englischsprachigen Kommentatoren.

Vanessa Hülse, Nina Hüpen-Bestendonk, ich, Peter Tomasch und Sara Yussefi Foto: Milos Wiling

Es galt also herauszufinden, wie ich in diesen Sekunden möglichst viel von den Wagen sehen konnte. Start und Los!

Erster Versuch.

Der Plan: jeden einzelnen Rennwagen über die wenigen Meter verfolgen.

Lautes Motorengebrüll kündigte die Rennwagen an. Klar, noch waren alle dicht beieinander. Und Achtuuuuung – da waren sie!

Hektisches Hin- und Hergucken. Wildes Kopfschütteln.

Eijjjom. Vettel.

Eiiijjjom. Rosberg.

Eiiijjjom. War das…?

Eiiiiijjjoom und zack vorbei.

Das Ergebnis: Plan gescheitert binnen ca. 5 Sekunden. Nix gesehen. Dafür Kopfschmerzen vom wilden Kopfschwenken.

Live-Übertragung auf Leinwand aus dem vorbeifahrenden Safety Car

Zweiter Versuch.

Der Plan: auf eine Stelle starren, warten, bis sie kommen, Augen nicht bewegen.

Konzentration auf einen Punkt vor mir mit leicht irrem Blick während alle anderen um mich herum hektisch hin und her schauen. Lautes Motorengebrüll… Und Achtuuuuung – da waren sie!

EiiiiiijjjjjjoooooommmmVettelRosbergWerwardasUndAlleAnderen zack vorbei.

Orrr.

Das Ergebnis: ein hysterischer, nicht zu erklärender und eher peinlicher Lachflash meinerseits.

Ich gab auf. Und verfolgte fortan einfach die Wage, die gerade mal vorbeikamen. Erst mit steigender Rundenzahl und steigendem Abstand fiel es mir leichter, die Wagen als Wagen wahrzunehmen. Einen Großteil meiner Aufmerksamkeit widmete ich fortan einem sturzbetrunkenen ‚Fan‘, der ein paar Reihen vor mir saß und immer dann taumelnd aufsprang sobald Sebastian Vettel vorbeikrachte um ihm den Stinkefinger wild gestikulierend entgegen zu recken. Seine Reaktionszeit liess jedoch schnell deutlich nach.

Aber wow! Dieser Motorenlärm war sowohl atemberaubend als auch trommelfellzerfetzend! Auch wenn ich hier in Singapur auf so zimelich jeder Party Ohrstöpsel in den geilsten Farben geschenkt bekam, und auch im Hotelzimmer welche für die Gäste lagen, hatte ich sie nicht mitgenommen. Pah. Diese paar Runden Lärm, so dachte ich, würde ich schon ohne überstehen. Ich bin doch kein Weichei. Allerdings stopften sich alle um mich herum zu Beginn des Rennens genüsslich die neonfarbenen Dinger in die Ohren. Das machte Gespräche sehr zäh. Ich konnte also nicht mehr quatschen ohne dass jemand sagte:

„Moment.“ Plöpp. „Jetzt.“

Zudem muss ich zugeben, war der Krach tatsächlich schmerzhafter als ich dachte. So als würde dir jemand mit einer kleinen Nadel in das Trommelfell piksen genau dann, wenn du denkst, dass der größte Lärm eigentlich vorbei ist. Was mit Dopplereffekt, Schall, Nachhall, Schmerz und so. Ich bereute meine Entscheidung, diese Dinger nicht mitgenommen zu haben, sehr. Aber plötzlich schob mir Vanessa ein Ersatzpaar rüber, die sie fürsorglicherweise eingesteckt hatte – und pflopp – ahhhh. Welch Wohltat.

Fortan war es eigentlich genau so laut wie vorher, nur ohne Nadelstiche, Trommelfellbluten und Schmerzen und wir hatten einen richtig guten Abend. Fotos, soviel kann ich gleich sagen, habe ich von den Rennwagen kaum welche. Durch den Zaun ist kein Durchkommen. Und Bernie findet es logischerweise nicht so geil, wenn die Zuschauer die Strecke sehen können, ohne dafür zu bezahlen. Aber mein Zimmer im 55. Stock des Swissôtel The Stamford zuhängen oder den Medienbalkon, das konnte er nicht, und auch nicht die Dachterrasse des Fullerton Hotel.

Ich möchte euch nun mit nehmen auf meine Reise zu meinem ersten Formel 1 Rennen nach Singapur!

Swissotel The Stamford in Singapur

Wie ist es denn nun, so ein Rennen live zu verfolgen? 

 Ich war entsetzt, als ich sah, dass ihr euch an die Strecke gesetzt hattet! Am TV und aus dem Hotelzimmer sieht man doch viel mehr!“ war ein Feedback, das ich auf einen Facebookpost hin bekam. Sicher, mehr Überblick hat man, wenn man das Rennen vor der Kiste sitzend verfolgt. Oder noch besser: wenn man vor einer Kiste sitzt, die in diesem Zimmer mit Balkon steht und diesen Blick auf die Strecke bietet – nämlich direkt runter auf die Rennstrecke.

Aber, auch wenn ich mich glücklich schätzen durfte, solch ein Zimmer 3 Nächte bewohnen zu dürfen, man ist einfach nicht mittendrin im Renngeschehen. Die Atomsphäre ist nicht die gleiche wie unten, und auch der Krach ist nicht der gleiche. Auch wenn die Aussicht gerade von meinem Zimmer im 55. Stock einfach gigantisch war! Und dass Zimmerparties die besten sein sollen, ist bestimmt nur ein Gerücht. Auch wenn meine Zimmernachbarn oben, unten, links und rechts in diesen Tagen schwer mit Plastiktüten bepackt die Aufzüge bevölkerten und die Formel 1 Abende in den Zimmern verbrachten…

Zudem hatten wir bereits mehrfach atemberaubende Blicke auf das freie Training werfen können vom Tower 3 des Marina Bay Sands als auch auf das Qualifying von der Dachterrasse des Fullerton Hotels. Ich hätte zwar Stunden ach tagelang auf die Skyline samt hellbeleuchteter Strecke starren können, dazu ein Hubschrauber in Augenhöhe…aber irgendwann muss man sich satt gesehen haben.

Und die Atmosphäre in dieser heißen und schwülen Nacht von Singapur war atemberaubend. Das Konzert von Rihanna, das im Ticketpreis quasi enthalten war, war sicherlich ein weiteres Highlight. Auch wenn sie den gänsehauterzeugenden Motorenkrach nicht aus meinem Ohr singen konnte, den ich sofort wieder höre, wenn ich an die Tage in Singapur zurück denke.

Ein erstes Best Of aus Singapur findet ihr hier auf meinem Blog: Zur Formel 1 nach Singapur – von Panoramaviews, Parties und Polepositions

Mehr Beiträge von unserer Reise könnt ihr nachlesen bei:

Luxuslupe – Swissôtel The Stamford

Vs World – Amber Lounge – VIP Party at the Formula 1 Grand Prix in Singapore

Vs World – Arab Street in SIngapore

Das Singapore Tourism Board und Singapore Airlines haben mich auf diese Reise eingeladen. Vielen Dank dafür.

7 Kommentare

  1. Janett

    Okay… Okay… Jemand hätte dich vorher warnen müssen. Formelsport ist laut. Und macht aua in die Ohren (tröste dich – Amerikanisches Nascar ist noch viel lauter). Ich habe auch schnell gelernt, mir entweder einen Platz auf einer offenen Tribüne zu besorgen (da ist der Rückschall nicht so laut) oder halt Ohrenstöpsel zu tragen. Das mit den Fotos einfangen an der Strecke ist bei der F1 nahezu unmöglich, deshalb die Empfehlung – eher mal zum Nürburgring zur VLN, da kommst du als normaler Fan auch in die Startaufstellung und kannst direkt am Nürburgring tolle Fotos machen (auch wenn da ein Zaun ist, aber der ist an einigen Stellen mit Fotoguckern versehen :D). Ich war ja am Wochenende in Monza und fand die alte vergessene Steilstrecke so toll. Aber so ein Stadtrennen würd ich mir sicherlich auch mal wieder antun (kenne bisher nur Nürnberg – Norisring). Hört sich auf jeden Fall nach viel Trubel an – bei dir meine ich jetzt 😀

    1. Heike Kaufhold

      @Janett – NATÜRLICH wusste ich das. Und natürlich war es vollkommen ok. Es ist überspitzt dargestellt. Wie ich eben so schreibe. Und wenn es naiv klingt, ich bin es nicht. 😉 Hätte nur eben doch mein 70-200 mitschleppen sollen, wenn auch nur für 5 Fotos. Fotos VLN sind eben nicht Fotos Formel 1. 😉 Monza war bestimmt cool! Danke für dein Feedback…

  2. Janett

    Ach gut, dann bin ich ja beruhigt 😀 Das VLN nicht Formel1 ist, stimmt allerdings. Wenn man sich jedoch anschaut, wie nah man vor Jahren da noch dran kam, und wie weit entfernt die Formel1 heutzutage ist, find ich es einfach schade. Motorsport ist so viel mehr als nur zu schauen wie zugegeben geile Autos ihre Runden fahren. Aber das Happening ist bei F1 halt immer noch am coolsten. Monza war net schlecht. Aber jetzt brauch ich erst mal 3 Wochen Urlaub wegen Schlafmangel 😀

  3. Robert

    Die Formel 1 muss man ohne Ohrenstöpsel genießen 😉 . Wenn man das erste mal einen Formel 1 Wagen live in Aktion sieht, dann wird einen erstmal bewusst, wie schnell diese eigentlich fahren. Das Gefühl für die Geschwindigkeit und den kurzen Bremswegen bekommt man im TV gar nicht so mit.

    Noch interessante wird es natürlich, wenn man hinter die Kulissen schauen darf und den ganzen Ablauf über Tage miterleben kann, so hatte ich bereits das Vergnügen.

  4. Nils

    Hey Heike…. Ich war auch dort und es war auch mein erstes Formel 1 Erlebnis…. Habe auch meine Canon mit dabei gehabt und auch supi Bilder und sogar Videos gemacht…. Auch vom Rhianna Konzert !!! So wie es aussieht warst Du im Swissotel direkt an der Piste…. Grüße und bei Interesse kannst mich auf Facebook Adden und Dir ein Paar Bilder genussvoll anschauen… Grüße Nils

  5. Nils Peine

    Ist wirklich schön zu erkennen, welchen Flair diese Stadt und das drum herum so mit sich bringt…. Man kommt wie verzaubert zurück in die reale Welt. Aber dafür mit ganz viel Sonne im Herzen. Möchte keinen Tag dort missen, war dieses Jahr schon das Zweite Mal dort.

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