Warum in einer alten Polizeistation in Detroit ein Banksy Mural zum Verkauf steht

Wem gehört eigentlich Streetart? Darf man auf Wände gesprühte Kunstwerke mitnehmen wenn sie ansonsten vielleicht zerstört worden wären? Und was darf man mit ihnen anstellen? Darf man die Kunstwerke verkaufen? Wenn ja, wem gehören sie? Und wie ändert sich die Lage, wenn der Künstler Banksy heißt?

Die Story, die ich heute für euch habe, halte ich für ziemlich einzigartig. Zum einen weil ich die Geschichte um das Werk recht nah verfolgen konnte, zum anderen weil ich noch immer überrascht bin, dass das Werk eines weltberühmten Künstlers einen solch langen Dornröschenschlaf schlummern kann.

Remember when all this was trees.

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© Heike Kaufhold

Wieder einmal bin ich der Meinung, dass solche Geschichten nur in Detroit spielen können. Und genau dort springen wir hin. Wir befinden uns in einer alten, ehemaligen Polizeistation mit kleinen, engen Zellen und Gittern. Hier in der Nähe des Mexican Quarters sitzt eine kleine Non-Profit Art Galerie, in der der sich Künstler zusammengeschlossen haben um ihre Arbeiten zu verkaufen und Kurse zu geben. Umgeben von Urban Gardening Flächen und nur einen Katzensprung von der kanadischen Grenze entfernt. Seit 2010 ist diese Galerie im legalen Besitz eines echten Banksy Murals. Das allein halte ich schon für extrem ungewöhnlich. Umso ungewöhnlicher für mich aber: diese kleine Art Gallery aus Detroit möchte genau diesen Banksy verkaufen.

Normalerweise ist kein Banksy Kunstwerk käuflich erwerbbar oder gar in einer Galerie ausgestellt! Die Murals befinden sich meist an öffentlich begehbaren Orten und gehören generell dorthin, wo Banksy sie hinterlassen hat: an die Wände der Welt. Zumeist jedoch gibt es dabei ein Problem: die Werke haben einen so hohen Wert, dass sie oftmals aus den Wänden gerissen oder gar in einer Art Rivalitätsgebaren zweier Artists zerstört werden. Wie in London endet ein Banksy auch schon mal hinter Panzerglas oder es entbrennt ein Stadtweiter Streit um den Sinn und Zweck eines solchen Kunstwerks in Privatbesitz. Denn sie ziehen meist Unmengen (nicht nur) von Touristen an, was ist nicht jedem recht ist, oder es entbrennt ein heftiger Streit um Geld.

Das Banksy Mural in Detroit

Vor meiner letzten Reise nach Detroit hatte ich recherchiert, ob dort – und wenn ja wo – Streetart dort zu finden ist. So hat ROA beispielsweise im eher kalten Detroit bisher nicht gesprüht, aber ein Banksy sollte zu finden sein. Und zwar an genau dem Ort, der mich am meisten faszinierte: der Packard Plant. Doch Moment…ich las weiter. Aus einem Artikel erfuhr ich, dass er schon seit geraumer Zeit nicht mehr da sein sollte. Zerstört? Abtransportiert? Was war da los?

Aus einem You Tube Video erfuhr ich, dass ein Trupp junger Künstler den Banksy 2010 ‚gerettet‘ hatte vor der vielleicht-Zerstörung in der seit 50 Jahren vor sich hin verfallenden, ehemaligen Auto-Fabrikhalle. Genau darum war in Detroit ein riesiger Streit entbrochen, denn wer war der rechtmässige Besitzer dieses Kunstwerks? Die Stadt? Der Besitzer der Packard-Plant, der sich seit Jahrzehnten nicht um sein Grundstück gekümmert und keine Steuern gezahlt hatte, nun aber Ansprüche an das Mural erhob? Oder die Künstler, die den Banksy fanden? Ich hatte das Interesse an der Geschichte zunächst verloren, da ich mir einen Banksy in einer Galerie nicht ansehen wollte.

Dann aber, ja dann, bekam ich eine Nachricht via Instagram, von einer Detroiterin, die ich in der Stadt treffen wollte. Sie schrieb mir:

„Wir treffen uns in der kleinen Art Galerie, in der ich arbeite. Das ist am einfachsten. Übrigens steht hier auch der Banksy, an dem du so großes Interesse hattest. Und wenn du willst, kannst du mit Carl sprechen, der kann dir die ganze Geschichte dahinter erzählen. Denn er hat den Banksy aus der Packard Plant geholt.“

Was ???
Das musste sich setzen. Schlagartig war mein Desinteresse am Banksy verflogen. NATÜRLICH wollte ich mit Carl quatschen und die Geschichte aus erster Hand erfahren.

Was ich da noch nicht ahnte: er sollte mir in diesem Interview eine Information geben, die sicherlich noch weltweit für Aufsehen sorgen würde. Denn er hatte beschlossen, den Banksy aus verschiedenen Gründen zum Verkauf anzubieten und ich war damals die Erste, die das erfuhr. Einige Zeit später schrieben Detroiter Medien darüber.

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© Heike Kaufhold

Aber bevor die kleine Galerie hier in negatives Licht rückt, lasst mich erklären was ich in dem Interview erfuhr.

2010 hatte ein befreundeter Fotograf, Billy Voo, das Mural im Film „Exit through the Giftshop“ gesehen und dessen Standort sofort erkannt, die Packard Plant war für den Urban Explorer wie ein zwietes zuhause. Nun muss man wissen, dass in dieser seit Ewigkeiten verlassenen Fabrik immer wieder ganze Wände einstürzen, zudem allerlei Schindluder getrieben wird. Das bewog den Fotografen dazu, sofort dorthin zu fahren, den Banksy zu fotografieren und die Nacht über dort ‚Wache‘ zu halten.

Morgens versucht er Einrichtungen zu erreichen, die sich um den Banksy kümmern würden. Am Ende rief er die Galerie an, die mit dem Namen ‚Banksy‘ erst einmal nicht viel anfangen konnte, aber bereit waren, dem Freund zu helfen und den Banksy in Sicherheit zu bringen. Bis in die Nacht hinein dauerte diese Aktion, da die besprühte Wand gesichert werden musste um abtransportiert werden zu können.

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© Heike Kaufhold

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© Heike Kaufhold

Carl erzählt mir, dass es schnell Ärger gab mit dem Besitzer der Fabrik, der Ansprüche anmeldete und klagte, zuvor aber nie Steuern gezahlt hatte. Die Stadt Detroit schaltete sich ein, am Ende wurde der Banksy der Galerie zugesprochen, die den Banksy öffentlich zugänglich machen wollte.

Und genau das ist der Banksy heute noch. Doch ein Kunstwerk mi t einem solch hohen Schätzwert zu besitzen und zu sichern gestaltete sich auch als Bürde. Kurz vor meinem Besuch war ein Banksy verkauft worden zu einem Preis von fast 500.000 $, andere werden geschätzt auf bis zu 1 Million $. Geld, das auch die Galerie zu einem Teil dringend benötigt, um sich zu finanzieren. Verkauft wurde das Banksy Kunstwerk bis heute nicht, nach wie vor steht es in dieser kleinen Galerie. Laut Claus ’sehr sicher‘. Da diese alte Polizeistation mit speziellen Türen und Wänden ausgestattet ist.

Doch eine interessante Lösung scheint nahe: der neue Besitzer der Packard Plant will den Banksy zurück an seinen Ursprungsort holen. Zuvor allerdings müssen die rund 300.000 in Schutt und Asche liegenden m2 der alten Fabrik ab- und neu aufgebaut werden. Seit klar ist, dass der Banksy verkauft werden soll, behaupten sei junge Detroiter, das Mural gesprüht zu haben.

Meiner Meiung nach ist aber dieses auf Banksys Website veröffentlichte Bild eines seiner Werke doch eine Anspielung auf das enfernte und ‚eingerahmte‘ Bild aus Detroit und somit ein ‚Echtheitszeichen‘ für das ‚alte‘? Was sagt ihr?

Banksy

Screenshot Website Banksy

Ein zweiter angeblicher Banksy, ein knapp 2 Meter großer Kanarienvogel, der wohl auch auf der Website des Künstlers aufgetaucht war, wurde aus der Packard Plant binnen kürzester Zeit entfernt und ist seither verschwunden.

Mich würde eure Meinung zu dem Thema. Wem gehört ein solches Kunstwerk? Betrachtet ihr es als Allgemeingut? Gehört es dem Besitzer der Wand auf die es gesprüht wurde?

Weitere interessante Links zum Thema:

Website Banksy – Banksy.co.uk

Köln Format – Ein Blick in Detroits berühmteste Fabrikruine

Metro Times – Banksy bombs Detroit

Freep.com – über die Zukunft des Banksy Murals

Michigan Radio – zur Frage, ob es sich überhaupt um einen echten Banksy handelt

Alle Fotos © Heike Kaufhold

10 Kommentare

  1. Minza will Sommer

    Was für eine Geschichte!!!

    Mein bescheidenes Rechtwissen (auch noch deutsch) sagt, dass der Eigentümer des Hauses an dem die Kunst angebracht wird, der Besitzer ist. Zumal er ja auch gegen Vandalismus/Schmiererei klagen könnte. Aber wie sieht es bei einem solchen Künstler aus? Wertsteigerung der Immobilie, im Besitz des Eiegntümers. Aber es gibt ein öffentliches Interesse an der Kunst und somit kann der Besitzter damit nicht machen was er will, Bsp. Denkmalschutz. Ach … ich weiß es nicht, aber ich würde gerne wissen wie es weiter geht!

    Danke für die Story!!
    Liebe Grüße 🙂 M.

    1. Heike Kaufhold

      Ich glaube, der Banksy ist letztlich für einen eher niedrigen Geldbetrag offiziell in den Besitz der Galerie übergegangen. Und ich weiß, dass er dort aktuell noch steht. Vielleicht sehe ich mal nach, wenn ich im Februar da bin und kann dann ein Update anbieten 🙂 Verschärfend war in diesem Fall natürlich, dass der Eigentümer der Fabrik jahrelang keine Steuern gezahlt hatte und das Gebäude vor sich hin verfallen liess. Sonst wäre das sicher anders ausgegangen… Danke für dein Feedback!

  2. Claudia

    ziemlich interessante story! Der Künstler gefällt mir: ein bischen rebellisch und trotzdem keine schmierereien sondern echt ekunst an wände zaubern. die meisten besprayten wände und züge die ich sehe enthalten leider nicht solche botschaften, wie bei ihm… grüße aus meiner schanne unterkunft 😉

  3. Ingrid Ernst

    Als ich das letzte Mal in NYC war stand Banksy aus Jux und Dollerei im Central Park und verkaufte seine Werke für 50-60 Dollar. Kaum jemand blieb stehen, er hatte am Ende des Tages bloss um die 400$ eingenommen! Am nächsten Tag sah ich einen Bericht in der Zeitung und wollte mich erschiessen, genau den Tag war ich auch noch im Central Park. Tough luck!

    1. Heike Kaufhold

      NEIIIN! Diese Aktion habe ich auch mitbekommen, allerdings nur vor dem TV. Das heißt, du hast gesehen, dass da die Werke verkauft wurden? Ohje hahaha. <3

  4. Stephan 黒 [Portait-Foto-Kunst]

    Super spannender und unterhaltsamer Artikel!
    Wenn man Street-Art betrachtet, dann macht man sich als „Kunst-Konsument“ meistens keine Gedanken welche Probleme es beim Verkauf der Kunst geben kann. 🙂
    Eine Wand abzubauen und in einer Galerie aufzubauen kann sicherlich ach mal Probleme geben.
    (z.B. wenn es sich um eine tragende Wand handelt 😉
    Super das der Banksy gerettet wurde.
    Beste Grüße
    Stephan

  5. sabine

    Ironisch könnte man meinen, dass in Detroit überhaupt noch etwas steht 🙂 die Stadt ist ja pleite oder! Aber toller Bericht und danke für die Fotos! 🙂

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