Auszeit in einer Millionenmetropole – kurze Flucht vor dem Alltag

Ich brauchte eine Auszeit. Wenn sich eines in den letzten Wochen oder gar Monaten als eindeutig herausgestellt hatte, dann das. Eine Auszeit vom Alltag zuhause, der bestimmt war von ständigem auf die Uhr schauen, von der Planung und Organisation von Feiern wie Kommunion oder dem doppelten Kindergeburtstag meiner Jungs mit insgesamt 21 Partygästen an zwei Tagen.

Nicht falsch verstehen. Ich will überhaupt nicht sagen, dass all das keine schönen Momente sind! Im Gegenteil. Aber in Verbindung mit der aktuell sehr ausgeprägten Trotzphase des Kurzen und dem Konsequenzen einfordernden Grenzen-Austesten des Großen musste ich erkennen: ich hatte meine innere Ruhe verloren. Und die galt es wieder zu finden. Am besten gelingt mir das, ich kenne mich, wenn ich allein sein kann und meinen Gedanken freien Lauf lassen kann, ich mich mit niemandem abstimmen muss, nicht diskutieren muss, sich niemand um mich herum schubst, ich keinen Wecker stellen brauche und einfach in den Tag hineinleben darf. Ein Luxus als Mama von zwei Kindern.

Nun kann man leider nichts erzwingen aber wenn sich Gelegenheiten auftun, den Kopf frei zu kriegen, die Seele baumeln zu lassen und kurzerhand aus dem Alltag zu fliehen, dann sollte man sie ergreifen. Ich hatte ohnehin eine Woche auf der republica in Berlin festgemacht, so dass meine Family ohne mich plante. Weil ich aber in diesem Jahr so sicher war, hinzufahren, hatte ich frühzeitig einen Flug und ein Hotel gebucht und ein Early Bird Ticket gekauft. Nun cancelte ich was  konnte, wusste aber da noch nicht wie hoch die Kosten am Ende sein würden auf denen ich sitze bleiben würde. Stattdessen begann ich, ein Reiseziel zu suchen, in dem ich knapp eine Woche verbringen wollte.

Es hätte mich überall hinverschlagen können aber einige Ansprüche an den Ort und mich stellte ich:

  • ich muss schon mal dort gewesen sein damit ich schneller ‚ankommen‘ kann
  • keinerlei Abklappern von Sehenswürdigkeiten
  • eine Unterkunft in der ich mich sauwohl fühle in guter Lage

Ich grübelte nach Ideen und checkte Flüge zu den unterschiedlichsten Zielen. Ein einsames Ferienhaus in Holland? Nein, zu uninspirierend. Eine kleine Finca außerhalb der Saison auf Mallorca? Hm, vielleicht ZU einsam. Ich wollte also eine inspirierende Umgebung mit so viel Gewusel, dass ich darin nicht auffallen würde und gleichzeitig mich mit meiner Kamera treiben lassen kann, wenn mir danach ist oder ich einfach bei fantastischer Aussicht im gemütlichen Apartment abhängen kann.

Detroit hatte ich wie immer auf meinem Radar aber mit einem Flugpreis von über 1500 € war es komplett out of Budget. Ich checkte Flüge nach Istanbul, fand einen bei germanwings mit perfekten Flugzeiten für schlappe 168 €, buchte ein Airbnb Apartment dazu und flog.

Warum ausgerechnet eine Auszeit in Istanbul?

  • Istanbul ist faszinierend
  • es interessiert sich niemand für dich und du kannst hervorragend ‚allein‘ sein unter 18 Millionen Menschen wenn du das willst
  • ich habe Istanbul mit Kind schon erkundet und kenne mich halbwegs aus und doch gibt es noch so viele Ecken und Stadtviertel, die ich noch nicht gesehen habe
  • der Flug war günstig
  • Anfang Mai ist die beste Reisezeit: die Luft ist klar und morgens sowie abends kühl, tagsüber sind es ca. 23 Grad. Angeblich ist Hochsaison, davon merke ich nicht so viel.

Anflug germanwings Istanbul Sabiha

Dachterrasse in Istanbul Galata

Dachterrasse in Istanbul Galata

Galata Tower bei Nacht

Hier sitze ich nun in der 18 Millionenmetropole Istanbul und genieße jede Minute. Das – zugegeben nicht ganz günstige – Apartment im 5. Stock eines kernsanierten Altbaus im Istanbuler Szeneviertel Beyoglu übertrifft meine Erwartungen. Ich verbringe gerne Zeit drin oder draußen auf dem Balkon, von dem ich einen einzigartigen Blick über die Stadt und auf den Bosporus habe. Nachts ist es hier oben wahnsinnig ruhig. Ich schlafe bei weit geöffneter Balkontür so gut und tief wie lange nicht. Unterbrochen nur vom Muezzin, der gegen 5 Uhr zum Sonnenaufgang zum Gebet ruft. Ich höre ihm gerne zu, tapere auf den Balkon und blicke auf die langsam erwachende Stadt.

16 Kommentare

  1. dani

    Kann ich gut nachvollziehen. Ich glaube, solche Auszeiten sind ungeheuer wichtig, um wieder Kraft zu tanken für die nächste Trotzphase. Istanbul wäre durchaus auch meine erste Wahl!
    Ich wünsch dir viel Entspannung und bring schöne Fotos mit!

      1. Thor

        Alles geht! 🙂 Für die Weltreise haben wir schon eingeplant, dass wir jeweils auch mal für ein paar Tage ganz allein unterwegs sein wollen. Ansonsten hat meine Frau eigentlich relativ oft Urlaub alleine gemacht, ich hab da eigentlich was gut fällt mir gerade ein! 🙂

        1. Heike Kaufhold

          Oops. Haha. Ja das ist natürlich super und so wichtig. Ich biete das natürlich auch an, aber er hat kein gesteigertes Interesse daran, allein zu verreisen.

  2. Dani

    Meine liebe Heike das machst Du genau richtig, ohne schlechtes Gewissen mal auf sein inneres Ich zuhören tut der Family und uns mehr wie gut. Jeder sollte für sich, sich diese Freiheit nehmen und genau darauf hören um wieder den Kopf für die Kids, Alltag und unsere Kreativität frei zu bekommen. Mal ohne Druck, Stress und Aufgaben mit der Kamera durch den Alltag dieser wunderschönen Stadt zu bummeln ist Inspiration pur. Ich bekomme das immer, wenn ich für einige Tage nur für mich, mit meinen Skaten quer durch die Natur rollen kann und dann mich mit der Musik auf den Ohren treiben lassen kann.
    Geniesse die Zeit und die den Sonnenaufgang und der langsam erwachende Stadt.
    Liebe Grüsse sendet Dani

  3. Jenny

    Ich gestehe – so ausgebrannt ich auch bin, ich würde nie auf die Idee kommen, ganz allein zu verreisen. Mit meinem Mann sehr gern, auch mit einer Freundin… Aber ganz allein? Was machst du denn den ganzen Tag über? Und vor allem abends?

    LG
    Jenny

    1. Heike Kaufhold

      Hallo Jenny,

      ja, man muss das natürlich mögen. Aber… ICH MACHE WAS ICH WILL und zwar den ganzen Tag. <3 Wenn ich Lust habe auszuschlafen, dann mache ich das. Wenn ich was abarbeiten möchte, dann setz ich mich auf den Balkon an den Rechner. Wenn ich Hunger habe, hole ich mir ein Fischbrötchen, gehe was essen oder mache mir in der Küche Frühstück. Tagsüber laufe ich mit der Kamera durch die Stadt, beobachte Menschen, mache Fotos. Abends streune ich umher, nehme ein kaltes Efes mit nach Hause, setze mich auf den Balkon und starre Istanbul an. Lese ein Buch, lese Blogposts. Wo immer mir nach ist. Ich komme schrecklich gut allein zurecht und wenn ich lange Zeit nicht allein sein kann, dann fehlt mir was. 🙂 Das ist sicherlich für viele Menschen gar nix, aber ich ziehe da ganz viel Kraft raus.

  4. Antje

    Liebe Heike,

    das kann ich so gut verstehen – einfach mal spontan machen können, was man will. Sich treiben lassen, neue Eindrücke genießen, kein meckern und diskutieren – und ganz alleine Entscheidungen treffen. Toll, dass du dir die Auszeit nehmen kannst. Ich wünsche dir eine großartige Zeit in Istanbul – und danach kannst du dann direkt wieder ein paar Kindergeburtstage wuppen 😉

  5. Lena von family4trave

    Wie beneidenswert ich das finde, habe ich dir ja bei anderer Gelegenheit schon mitgeteilt. 🙂 Nach einem anstrengenden Familientag sehne mich manchmal ein halbes Stündchen lang danach, in ein Kloster einzutreten und ein Schweigegelübde abzulegen… Istanbul klingt aber durchaus nach einer lohnenswerten Alternative. 🙂
    Dass ein paar Stunden Alleinsein die Akkus wieder aufladen, kenne ich auch gut. Ich bin beruflich immer mal ein paar Tage weg gewesen und dann auch sehr gerne alleine in fremden Städten rumgestrolcht. Am Anfang kostete es mich Überwindung, ganz alleine in Cafés zu gehen und all sowas. Aber ich habe mich doch schnell dafür begeistert. 🙂 Das Schönste daran ist natürlich, dass man daraufhin richtig gerne wieder zu seiner Familie zurückkehrt.

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