Unter Tage im Besucherbergwerk – eine Reise durch das Erzgebirge in Sachsen mit Kindern

Eine Führung durch ein Besucherbergwerk im Erzgebirge ist eine tolle Möglichkeit, Kindern einen kleinen Teil der Geschichte Sachsens hautnah zu vermitteln. Das hatte ich mir für unseren Kurztrip ins Erzgebirge vorgenommen und der Stop in Annaberg sollte eines der Highlights auf unserer Tour werden. Denn auf unserer knapp 75 Minuten dauernden Führung durch den Markus-Röhling-Stolln im Stadtteil Frohnau, lernten wir nicht nur welche Erzvorräte hier abgebaut wurden sondern auch wie sie abgebaut wurden, wer sie womit abbaute, warum sie überhaupt abgebaut wurden und wieviele gefördert wurden. So war mir bis zu diesem Tage nicht bewusst, dass hier zu DDR-Zeiten ‚erfolgreich‘ nach Uran gesucht wurde, das für die erste sowjetische Atombombe gedacht war.

Die Kinder und ich erfuhren, dass man sich nicht unbedingt unter der Erde aufhalten muss um ‚unter Tage zu sein‘, dass man auch gehend in den Berg einfahren kann, wie schwer und laut die mit Druckluft betriebenen Arbeitsgeräte damals waren und dass die Kumpels, die sich früher bei der harten Arbeit daneben benahmen, scherzhafte Spitznamen aufgedrückt bekamen, die sie nicht mehr los wurden.

So wie der, der einmal zu faul war den Weg bis zur Bergmannstoilette zu gehen – er war fortan der Schreckenberg-Scheisser. Die Jungs lieben diese herrlich plakativen Geschichten aus erster Hand und ich ehrlich gesagt auch. So war wenige Sekunden nach Beginn der Führung klar: sie würden unserem Bergwerkführer Rainer in der folgenden Stunde an den Lippen hängen und sich bemühen, so viel sächsisch wie möglich zu verstehen.

Im Besucherbergwerk Markus-Röhling-Stolln in Annaberg im Erzgebirge

Unter Tage im Schaubergwerk Erzgebirge

Glück auf!“ rief uns Rainer zu und begann die Führung. Er wies uns an, einen Umhang anzuziehen, damit die Klamotten nicht schmutzig werden, einen Helm aufzusetzen und in der Grubenbahn Platz zu nehmen, mit der wir 600 Meter in den Berg einfahren würden. Wir setzten uns nach ganz vorn, sollten wir doch die einzigen Besucher bleiben an diesem Freitag Nachmittag so kurz vor Feierabend. ‚Glück auf‘ ist ein Bergmannsgruß, der hier im sächsischen Erzgebirge Ende des 16- Jahrhunderts entstanden war, heute aber in der Region auch im Alltag zur Begrüßung und zum Abschied genutzt wird.

„Woher weiß man denn dann, ob jemand kommt oder geht, Mama?“ will der Kleine wissen.

„Man muss mehr auf die Menschen achten, dann ergibt sich das“ erwidere ich.

Schon die Fahrt in den Berg ist für die Jungs faszinierend. Schnell ist es dunkel um uns herum und sie konzentrieren sich ganz auf das quietschen der Schienen. Wenige Minuten später haben wir unser Ziel erreicht, von hier werden wir zu Fuß weiter einfahren. Um uns herum befinden sich allerlei Werkzeuge und Fahrzeuge, die die Jungs mal heben dürfen. Und es ist völlig klar, dass Kind 1 nach eigener Aussage mit dem 16 Kilogramm schweren Presslufthammer den halben Berg zerlegen könnte. Reiner macht uns plakativ deutlich, wie laut es hier unten war und wirft die ‚Groß-Technik‘ an. Er simuliert eine Sprengung und zeigt uns, auf welche Arten die Decke im Bergwerk im Laufe der Jahrhunderte gesichert wurden. Über uns befinden zwischenzeitlich 120 Meter ‚Berg‘. Schwer vorstellbar für die Kinder, dass das alles so hält und dass es früher manchmal eben auch nicht gehalten hat.

Einfahrt Schaubergwerk Erzgebirge

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Kübelort Bergwerk Markus-Röhling-Stolln

die Klos der Bergmänner

enge Gänge im Markus-Röhling-Stolln

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Im Schaubergwerk Markus-Röhling-Stolln, Erzgebirge

Reiner zeigt uns die historischen Bergmannswerkzeuge, Schlägel und Eisen und deutet auf die Mini-Abschläge, die sie vor Jahrhunderten im Berg verursachten. 200 Mal musste der Schlägel pro Schicht (!) erneuert werden weil er abgenutzt war. Erst im 17. Jahrhundert wurde diese Arbeit abgelöst, ab diesem Zeitpunkt kam Schwarzpulver zum Einsatz.

Es geht einige Treppen rauf und lange, schmale Stollen entlang. Ich bin schon jetzt so gut wie orientierungslos. Als Rainer für einen kurzen Moment das Licht ausmacht und uns zeigt, wie ‚hell‘ es damals wirklich war, sehe ich nichts mehr. Keine Hand vor Augen, keine Stufen, keinen Berg. Nichts. Einfach unvorstellbar wie es sein muss, bei dieser Dunkelheit zu funktionieren. Auch wenn wir nichts mehr sehen können, ein anderer Sinn hat die Arbeit übernommen: wir hören plötzlich die Geräusche des Berges! Geräusche, die auch bei Licht vorhanden waren, aber untergingen. Jetzt sind sie sehr deutlich zu hören, fast laut und ein wenig unheimlich. Verursacht von den Tropfen, die von der Decke fallen und dem plätschern des 9 Meter großen Wasserrades, das im Markus-Röhling-Stolln dafür sorgte, dass die Wasserhaltung fortlaufend funktionierte. Schächte und Bergwerksanlagen saufen sonst binnen kurzer Zeit ab, lerne ich.

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Das 9 Meter hohe Wasserrad, Markus-Röhling-Stolln

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So weit geht es runter in die Erde. Und wir stehen hier gerade mal ganz oben!

Aber wo lagen die Anfänge des Bergbaus in Sachsen?

Berggeschrei – der Silberrausch in Sachsen

Die reichen Erzvorräte, die tief in den Bergen unter dichten Wäldern lagerten, verliehen dem Erzgebirge in Sachsen seinen Namen. Der Abbau von Zinn, Eisenerz und Silber brachte vielen Menschen Arbeit und machte die sächsischen Landesfürsten reich. Bereits 1168 waren Kaufleute bei Christiansdorf, dem heutigen Freiberg, unerwartet auf Silber gestoßen und hatten mit ihrem ‚Berggeschrei‘ schnell einen regelrechten Silberrausch ausgelöst, der Bergleute, Händler und Kaufleute von überall anlockte und die Entwicklung des Erzgebirges in den folgenden Jahrhunderten bestimmte. Bergstädte wie Freiberg und Annaberg zeugen noch heute vom damaligen Reichtum, auch wenn der Verfall vieler prunkvoller Häuser immer weiter voranschreitet.

Für die meisten kaum vorstellbar, wie und unter welchen Bedingungen im Mittelalter unter Tage gearbeitet worden sein muss. Um genau das zu demonstrieren gibt es im Erzgebirge viele sogenannte Besucherbergwerke. Sie informieren über den Bergbau und das schwere Leben der Bergleute und vermitteln einen wirklich praktischen Eindruck vom Leben unter Tage! Ein Besucherbergwerk ist der Markus-Röhling-Stolln, den ich mit den Kindern besichtigt habe.

Das Besucherbergwerk Markus-Röhling-Stolln

Jedes einzelne Schaubergwerk im Erzgebirge bietet seine eigene, persönliche und faszinierende Geschichte. Weil ich mich aus Zeitgründen für eines entscheiden musste, fiel unsere Wahl auf eine Führung im Markus-Röhling-Stolln. Zum einen weil er auf unserem Weg lag, zum anderen aber weil es hier möglich ist, mit der Grubenbahn 600 Meter ins Bergwerk einzufahren. In anderen können Besucher nach einer Voranmeldung auf einem unterirdischen See Boot fahren, in wieder anderen selbst einmal zur Hacke greifen. Die Möglichkeiten sind sehr vielfältig und super informativ.

Besucherbergwerk Markus-Röhling-Stolln Erzgebirge

Grubenbahn Markus-Röhling-Stolln Erzgebirge

Im Schaubergwerk, dem Markus-Röhling-Stolln, begann ab 1500 der Abbau von Silber und Kobalterz. Bis zu Einstellung des Betriebs im Jahre 1857 wurden allein 15,4 Tonnen Silber gefördert. Das machte die Grube zu einer der ertragreichsten in der Region. Das Interesse am Bau von Atomwaffen war dann auch der Grund dafür, daß sofort nach Abzug der Amerikaner aus Sachsen und Thüringen sowjetische Geologen an Hand alter Karten und Unterlagen über frühere Silberbergwerke im Herbst 1945 die dortigen Bergbaugebiete nach Uranerzvorkommen erkundeten. Im Frühjahr 1946 wurden alte Silberstollen im Erzgebirge neu aufgeschlossen. In über 40 Jahren wurden so rund 220.000 Tonnen Uran produziert. Im Dezember 1990 wurde die Uranproduktion eingestellt, was viele weitere Jobs kostete. 1994 öffnete das Besucherbergwerk Markus-Röhling-Stolln.

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Weitere Informationen:

  • die Führung durch das Besucherbergwerk Markus-Röhling-Stolln ist absolut kindgerecht (Achtung: nur Kinder ab 6 Jahren dürfen teilnehmen!), spannend und faszinierend. Natürlich auch für Erwachsene. Mit einer Dauer von 1 Stunde auch für die kleineren Kinder machbar, ohne dass sie beginnen, sich zu langweilen.
  • Zu Beginn werden Umhänge und Helme ausgeteilt, die aufgesetzt werden müssen
  • im Stolln finden regelmäßig Events statt wie das Bergmannsessen, das Zuckertütenfest, ein Kasperletheater oder ein Lampionfest. Schuklassen haben schon ihre Weihnachtsfeier hier gefeiert und Paare ihre Hochzeit
  • durch eine konstante Temperatur von 8 Grad ist es gut aushaltbar im Stolln. Zu unserer Zeit war es sogar unter Tage wärmer als draußen. Eine dicke Jacke sollte dennoch angezogen werden
  • Eintrittspreise: Erwachsene zahlen 8 €, Kinder 5 €. Der Besuch ist in der Erzgebirgscard inkludiert

Adresse:

Besucherbergwerk „Markus-Röhling-Stolln“ – Sehmatalstr. 15 – 09456 Annaberg-Buchholz – www.roehling-stolln.de

Öffnunsgzeiten 9 bis 16 Uhr

Mein Tipp:

wer an einer Führung im Markus-Röhling-Stolln teilnehmen möchte, ruft besser vorher an um in Erfahrung zu bringen, ob sich große Gruppen angekündigt haben. Denn je weniger Menschen an der Tour teilnehmen, desto faszinierender ist es natürlich für jeden Einzelnen. Die Kinder können alle Fragen der Welt stellen, eine tolle Möglichkeit, jemanden ausquetschen zu können, der selbst jahrelang im Berg gearbeitet hat und dessen ganze Familie seit Generationen hier unter Tage beschäftigt war.

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Im Markus-Röhling-Stolln wurde vor langer Zeit der Film „Der Uran Berg“ gedreht. Darin geht es um den Abbau des radioaktiven Erzes, aus dem die erste sowjetische Atombombe gebaut werden sollte.

Dieser Artikel ist Teil der Kampagne ‚So geht sächsisch‚.

4 Kommentare

  1. Janett

    Mein Onkel hat eine zeitlang so ein Besucherbergwerk in meiner alten Heimat in Nordthüringen betreut. Ich hab es nie geschafft, mal runter zu fahren. Spannend find ich das auch, vor allem mit unterirdischen Seen. Ich glaub ich nehme mir das auch für meinen nächsten „Osturlaub“ vor. Danke für die Einblicke!

    Gruss Janett

  2. Alex

    Hallo Heike,

    danke für diesen Einblick in den Markus-Röhling-Stolln. Mal etwas über ein Bergwerk zu lesen ist super interessant.

    Es ist faszinierend, was früher alles Untertage getrieben wurde. Eine eigene Welt für sich, die sich lohnt zu entdecken.

    Bei einem Besuch in einem Bergwerk in Thüringen, stand uns damals auch 3 Stunden Spaß bevor. Bei feucht tropischem Klima wurde man eine halbe Stunde mit kleinen schnellen LKWs durch die Höhlen gefahren um dann eine aufregende Führung anzutreten.

    Informativ & ein schönes Abenteuer!

    Schöne Grüße aus Laos

    Alex

  3. Sabine

    Euer Bergwersbesuch klingt super spannend. Das würde meinen Jüngsten auch interessieren! Solche Führungen leben davon informativ und unterhaltsam zu sein. Ihr hattet ja wirklich großes Glück ganz alleine in den Genuß der Führung zu kommen, mit 30 anderen Personen macht es dann schon nicht mehr ganz so viel Spaß 😉

  4. Elly

    Hallo Heike,

    Danke für diesen tollen Tipp!
    Ich bin mit meinen Kindern in den Herbstferien auch in der Ecke unterwegs und schaue grad, was man so alles unternehmen könnnte.

    Lg aus dem Tecklenburger Land

    Elly

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